Was Sie in Cannes nicht sehen können

So unterschiedliche 3D-Filme wie „Avatar“ von James Cameron und „Hugo Cabret“ von Martin Scorsese haben trotzdem eines gemeinsam: sie wurden zweimal gefilmt. Die erste Version wurde nicht öffentlich gezeigt: sie war den Regisseuren vorbehalten. Ein Dreh vor dem Dreh; eine Art Computermodell des gesamten Films in 3D. Dies ist durch die sogenannte Vorschautechnik, wie z.B. die vom INRIA (französisches Forschungsinstitut für Informatik und Automatik) entwickelte Software möglich.
Das Prinzip der Vorschau ist einfach: Alle Szenen, Schauplätze und Schauspieler werden in einer vereinfachten Form in 3D vorvisualisiert und der Film wird vollständig auf dem Computer gedreht. Jede Szene wird so lange verändert, bis sie dem Regisseur oder einem anderen Entscheidungsträger gefällt; erst dann beginnen die „echten“ Dreharbeiten. Für „Hugo Cabret“ beispielsweise wurde eine 3D-Darstellung eines Pariser Bahnhofs benötigt, der zu über 90% vom Gare du Nord inspiriert war.

 

Aber wie realistisch müssen die Schauplätze eigentlich sein?

 

Tatsächlich treiben Schauplätze die Produktionskosten in die Höhe und haben einen starken Einfluss auf den Fertigstellungstermin. Die Lösung besteht darin, die Szene vorab in 3D zu visualisieren und dabei zu analysieren, auf welchen Teil des Bildes sich das Auge und die Handlung konzentrieren: und diese Stelle muss am realistischsten dargestellt werden. Vorschautechniken „haben die Produktionskosten von Star Wars III um 10 Millionen Dollar reduziert“, so George Lucas in der Washington Times.
Mehrere Unternehmen haben sich mittlerweile auf Techniken zur Vorvisualisierung spezialisiert, wie z.B. Parallell Cinema in Frankreich. Auch das Forscherteam „Mimetic“ des INRIA in Rennes hat einen neuen Forschungsbereich in diesem Bereich eingerichtet. „Ziel ist es, dem Regisseur alle Möglichkeiten zu eröffnen, die eine reale Szene zu bieten hat“, so Marc Christie, Forscher im Mimetic-Team. „In der Realität ist der Ausgangspunkt eine bestimmte Szene, wie zum Beispiel der Dialog zwischen zwei Personen in einem Café. Zunächst werden die wichtigsten Elemente der Szene mit dem Computer in 3D dargestellt: Wände, Stühle, Gläser, Figuren, Beleuchtung, usw. Diese Elemente werden mit herkömmlichen Software-Tools (Maya, 3ds-Max …) erstellt, ohne dabei auf die höchstmögliche Realitätsnähe abzuzielen und ohne virtuelle Kameras in die Szene einzubauen“. Im zweiten Schritt schlägt die vom INRIA entwickelte Director’s Lens Software eine Reihe von Einstellungen vor. Dabei beruft sie sich auf die klassische Filmgrammatik (Totale oder Halbnahe, amerikanische Aufnahme, over-the-schoulder …) und bestimmt die Platzierungsmöglichkeiten der Kameras. Außerdem unterliegen diese Einstellungen vordefinierten Bestimmungen, die den Filmemachern gut bekannt sind. Auf dieser Grundlage und mit Hilfe von Techniken der künstlichen Intelligenz erstellt die Director’s Lens Software eine Reihe von Einstellungen und versucht dabei, so nah wie möglich an der Erzähllinie zu bleiben und den Regeln des klassischen Aufbaus zu folgen (z.B. keine Nahaufnahme direkt nach einer Totalen).
„Dem Regisseur stehen damit mehrere Optionen zur Verfügung, um die verschiedenen Möglichkeiten auszuprobieren, wie er eine Szene nach den geltenden Regeln filmen kann. Es hindert ihn jedoch nichts daran, die Regeln danach zu ändern … „, so Marc Christie.

 

 

Quelle:

Pressemitteilung des INRIA – 15.05.2012 – http://www.inria.fr/actualite/le-saviez-vous/ce-que-vous-ne-verrez-pas-a-cannes

 

Redakteur:

Charles Collet, charles.collet@diplomatie.gouv.fr