Neue Quelle super-kalter Neutronen trägt zum Verständnis des Urknalls und Ursprungs der Materie bei

 

Forscher am Institut Laue-Langevin (Grenoble) haben den Rekord für die Quelle mit der höchsten Dichte an ultra-kalten Neutronen (UCNs – ultra-cold neutrons) gebrochen. Diese bis beinahe auf Null abgekühlten Teilchen sind äußerst nützlich und bewegen sich so langsam, dass Weltklassesprinter sie über die 100 m Strecke schlagen würden. Die Technik wird genauere Messungen der fundamentalen Naturkonstanten ermöglichen, um die Suche nach neuen Teilchen voranzubringen und zu erklären, wie Materie beim Urknall entstanden ist [1].

 

UCNs sind ladungslose Teilchen, die man für mehrere hundert Sekunden speichern kann und daher ein grundlegendes Werkzeug für Forscher in der Teilchenphysik und Kosmologie darstellen. Sie wurden erstmals in den späten 60er Jahren bei Moskau und in München erzeugt. In den letzten 25 Jahren war das ILL in Grenoble die weltweit führende Quelle und stellte UCNs für Untersuchungen zur Materieentstehung nach dem Urknall zur Verfügung. Es forderte das Standardmodell der Teilchenphysik heraus und prüfte das Newtonsche Gravitationsgesetz auf einer Mikrometerskala.

 

Trotz vieler Jahre Verfeinerung und Forschung kann die derzeitige Herstellungsmethode am ILL jedoch nur eine paar Dutzend UCNs in einem fingerhutgroßen Raum anbieten – zu wenig für einfaches Forschen.

 

Dr. Oliver Zimmer, Leiter der Gruppe Kern- und Teilchenphysik am ILL: „Der Wunsch, das Universum auf seiner grundlegendsten Ebene zu verstehen, hat den Bedarf an der Herstellung ultra-kalter Neutronen gesteigert. Mit dieser neuen Technik zeigen wir eine grundlegende Methode zur Verbesserung der Bereitstellung dieser außergewöhnlich nützlichen Teilchen, die ihre zahlenmäßige Dichte möglicherweise um den Faktor 100 erhöht. Dies würde die Genauigkeit grundlegender Experimente in der Teilchenphysik und der Kosmologie weltweit massiv verbessern.“

 

Bisher hat das ILL UCNs hergestellt, indem sehr kalte Neutronen, abgekühlt mit schwerem Wasser und flüssigem Deuterium, durch eine Turbine geleitet wurden. Die Neutronen treffen auf die Schaufeln, wobei sie Energie abgeben und so stark verlangsamt werden, bis sie ultra-kalt sind und gespeichert werden können. Dieses Verfahren erzeugt etwa 30 UCNs pro Kubikzentimeter.

 

Es wurden auch bereits andere vielversprechende Techniken vorgeschlagen, jedoch konnte bislang keine höhere Dichte erzeugt werden als beim Turbinenverfahren am ILL. Zimmer und sein Team erzielten ihren Rekord mit einem Verfahren, das 1975 von Golub und Pendlebury präsentiert wurde, bei dem kalte Neutronen mit 440 Meter pro Sekunde auf suprafluides Helium-4 geschossen wurden, der kältesten der Wissenschaft bekannten Flüssigkeit unterhalb von 1 Kelvin. Nach ihrer Theorie würden Neutronen beim Eintritt in das mit Helium gefüllte Gefäß Schwingungen in der Flüssigkeit erzeugen, wobei sie den größten Teil ihrer verbliebenen Energie verlieren und ultra-kalt werden.

 

Während sich die wissenschaftliche Theorie hinter der Technik von Golub und Pendlebury als richtig erwies, scheiterten in den späten 80er Jahren alle Versuche, ihre Idee in eine weltweit führende Herstellungsmethode für UCNs umzusetzen, an Problemen bei der Extraktion. Damals wählte das Forschungsteam den Weg, die super-kalten Teilchen horizontal aus dem Helium herauszuholen, indem sie sie durch filternde Fenster zwangen, bei denen erhebliche Verluste auftraten.

 

Zimmer und sein Team verwenden ein kaminartiges Ventil, um die UCNs zu extrahieren, die sich wie ein niederenergetisches Gas verhalten und mit ihrer eigenen geringen Geschwindigkeit durch das Ventil nach oben gelangen können. Mit dieser Methode konnten sie Dichten um etwa 55 UCNs pro Kubikzentimeter

erzeugen, sie gehen jedoch davon aus, dass sie diesen Wert durch Verbesserungen an ihrer Apparatur und einem stärkeren Eingangsneutronenstrahl um bis zu mehr als 1000 erhöhen können.

 

Andrew Harrison, wissenschaftlicher Direktor am ILL: „Während Neutronen eine wertvolle Ressource für angewandte Wissenschaften darstellen, werden sie zunehmend unverzichtbar in der jüngsten Forschung in der Kosmologie und Teilchenphysik. Das ILL war während der vergangenen 25 Jahre der weltweit führende Lieferant dieser wertvollen Teilchen, und durch Dr. Zimmers Arbeiten verbessern wir das Instrument, das Wissenschaftlern helfen wird, die grundlegenden Naturgesetze zu erklären.“

 

[1]. Während dieses Zeitraums wurden am ILL UCNs für folgende Forschungen verwendet:

– Lebensdauer des Neutrons – notwendig für ein detailliertes Verständnis, wie sich Materie nach dem Urknall gebildet hat.

– Elektrisches Dipolmoment des Neutrons – Suche nach Asymmetrie in der Verteilung positiver und negativer Ladung innerhalb des Neutrons. Sollte sie gefunden werden, würde sie eine grundlegende Symmetrie der Natur verletzen und ergäbe damit erstmals einen Hinweis gegen das Standardmodell der Teilchenphysik.

-Überprüfung des Newtonschen Gravitationsgesetzes auf Mikrometerskala – Suche nach „Löchern“ im Standardmodell der Teilchenphysik.

 

Weitere Informationen über das Laue-Langevin Institut finden Sie unter: http://www.ill.eu

 

 

Quelle: Pressemitteilung des Laue-Langevin Instituts – 16.09.2011 – http://idw-online.de/pages/de/news441070

 

Redakteur: Arno Laxy, arno.laxy@sympra.de