Außenminister Laurent Fabius zur 21. Weltklimakonferenz in Paris
In einem Gespräch mit der Wochenzeitung « Observateur » (Paris, 8. Januar 2015) äußerte sich Außenminister Laurent Fabius zu den Zielen und Erfolgsaussichten der 21. Weltklimakonferenz COP2, die im Dezember in Paris stattfindet
Im Dezember findet in Paris die 21. Weltklimakonferenz COP21 statt. Eine weitere Großveranstaltung zum Thema Umwelt, die zu nichts führt?
Ich hoffe nicht. Die Erinnerung an das Scheitern in Kopenhagen 2009 verblasst allmählich. Die Einstellungen haben sich verändert. Heute sind sich alle einig, dass Paris ein Erfolg werden muss. Natürlich wird es schwierig, 195 Länder bei einem so komplexen Thema in Einklang zu bringen. Aber es ist die letzte Chance und die müssen wir auf jeden Fall ergreifen.
Was konkret würde ein Erfolg bedeuten?
Einerseits den Entwurf eines Abkommens, der auf der Konferenz in Lima [Dezember 2014] entstanden ist, in ein echtes universelles Abkommen zu verwandeln. Andererseits sind die Staaten in Lima übereingekommen, möglichst vor März 2015 eine Aufstellung ihrer künftigen Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgase zu veröffentlichen. Diese Verpflichtungen werden unter anderem durch das Sekretariat der Vereinten Nationen zusammengeführt und geprüft werden, um sicher zu gehen, dass sie alle zusammen dafür sorgen können, dass die Erwärmung unseres Planeten bis 2050 nicht über 2°C hinausgeht, denn ansonsten hätte der Klimawandel für uns katastrophale Folgen.
Dann müssen die Versprechen aber auch noch gehalten werden….
Deswegen muss das Abkommen von Paris verpflichtend sein. Es wird Mittel bereithalten, um die Einhaltung dieser Versprechen zu beobachten und regelmäßig zu überprüfen. Es geht nicht darum, ein Land zu bestrafen, das sich nicht an seine Versprechen hält, sondern vielmehr darum, die erzielten Fortschritte regelmäßig zu überprüfen, Mängel aufzudecken und gegebenenfalls zu korrigieren. Zahlreiche Forschungsinstitute und Organisationen werden darüber hinaus überprüfende Arbeit leisten und im Falle von Unzulänglichkeiten oder Mängeln Alarm schlagen. Die Zivilgesellschaft weltweit wird schließlich die staatlichen Versprechen überwachen. Schließlich wird weltweit die Zivilgesellschaft über die Einhaltung der Staatsversprechen wachen.
Warum nicht eine Art Umwelt-UNO schaffen, die Staaten in die Pflicht nehmen könnte?
Idealerweise wäre das wünschenswert, aber Sie sehen ja, wie schwierig es für den UN-Sicherheitsrat schon ist, ein Land davon abzuhalten, tausende seiner eigenen Landsleute zu töten…
Staatspräsident Hollande sagt, er sei „konvertiert“ zu dieser ökologischen Herausforderung. Wie haben Sie selbst diesen Wandel vollzogen?
Ich bin Sozialist und die aus der Arbeiterbewegung entstandenen Parteien haben sich lange Zeit auf die Zusammenhänge zwischen Kapital und Arbeit konzentriert. Für die Natur blieb da nicht mehr viel Platz, man machte sich nicht bewusst, welch zentrale Rolle sie spielt. Das große Verdienst der ersten Umweltschützer – ich denke hier vor allem an René Dumont – ist es, dies vor uns verstanden zu haben. Sie haben zur Weiterentwicklung des sozialistischen Denkens beigetragen.
Sie loben die „ersten Umweltschützer“, aber die heutigen Umweltschützer von heute prangern ihrerseits die Versäumnisse der Regierung an …
Frankreich ist vielleicht nicht perfekt, aber dank z.B. unseres Gesetzes über den Energiewandel, dank der Milliarde Dollar, die in den Grünen Fonds der Vereinten Nationen fließt, dank der ehrgeizigen Verpflichtungen der europäischen Länder, für die wir uns stark gemacht haben, gelten wir in den Augen vieler Länder als beispielhaft.
Widerspricht es sich nicht, Treibhausgase zu reduzieren und gleichzeitig unseren Anteil an Nuklearenergie senken zu wollen, wo doch die Atomkraft eine saubere und sogar „zukunftsträchtige“ Energie ist, wie Manuel Valls sagte?
Was die Treibhausgase betrifft, so ist die Atomkraft unumstritten eine saubere Energie. Vergessen wir außerdem nicht, dass Frankreich trotz der Reduzierung das Land sein wird, das bis 2025 bei der Stromerzeugung mit 50% den weltweit größten Anteil an Atomkraft behält. Wir wenden einen ganz einfachen Grundsatz an: nicht alles auf eine Karte setzen.
Und wie kann man für eine Welt ohne Kohlenstoff eintreten und sich gleichzeitig über eine Senkung der Erdölpreise freuen?
Aus ökologischer Sicht hat die Senkung der Erdölpreise zwei Seiten. Einerseits sinkt dadurch der Preis für fossile Energieträger, was zu deren massiver Nutzung führen kann, andererseits müssten vorausschauende Länder das so eingesparte Geld nutzen, um Energieeinsparungen umzusetzen und erneuerbare Energien weiterzuentwickeln. Vereinfacht dargestellt könnte das große Ziel der Linken von morgen sein: „Null Armut, null Kohlenstoff“!
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Könnten Ihre Positionen als Vorsitzender der Weltklimakonferenz COP 21 mit den Interessen Frankreichs kollidieren?
Der Vorsitz der Klimakonferenz muss unparteiisch sein, zuhören, ehrgeizig und kompromissbereit sein. Selbstverständlich bleibe ich Außenminister, aber auf europäischer Ebene vertritt die Umweltministerin Ségolène Royal die Interessen Frankreichs. Das sind zwei unterschiedliche Aufgaben, beide sind nützlich für den Erfolg der größten jemals in Frankreich organisierten internationalen Konferenz.
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Die Konferenz in Paris ist gleichzeitig eine einmalige Chance, den Planeten zu retten, und ein Risiko. Niemand ist sich über den Erfolg sicher.
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Es geht nicht nur um den Erfolg Frankreichs, sondern um eine effiziente und gemeinsame Antwort auf das schwerwiegendste Problem unserer Zeit. Die einzige Frage, die zählt, ist: „Wie geht’s weiter?“ Die Antwort ist einfach: Es gibt keine Ersatzlösung, denn es gibt keinen Ersatz für diesen Planeten.
Kommt das auch bei den Chinesen an?
Ja, sicher. Der Kampf gegen den Klimawandel ist für China sowohl sozial als auch wirtschaftlich und politisch zwingend erforderlich. Als im vergangenen Jahr der Verkehr in Paris eingeschränkt wurde, weil die Feinstaubbelastung den Richtwert von 50 Milligramm überschritten hatte, war ich gerade in der chinesischen Hauptstadt, wo 400 ppm überschritten werden! Das überholte Entwicklungsmodell Chinas ist nicht mehr tragbar, weder für die Welt noch für China selbst. Nach mehreren Gesprächen zu diesem Thema zweifle ich nicht mehr an der Überzeugung des chinesischen Präsidenten, übrigens auch nicht an der des amerikanischen. Das ist eine bemerkenswerte Veränderung, denn das sind die zwei stärksten Umweltverschmutzer. Am Ende entscheidet kein internationaler Gerichtshof, sondern die öffentliche Meinung, die Völker selbst. Skepsis gegenüber dem Klimawandel ist unvertretbar geworden und eine fatalistische Haltung ist gar unverantwortlich: ein klarer Bekenntnis zum Kampf gegen Klimawandel ist unausweichlich.
Sie haben gesagt, „wie schwierig es für die internationale Gemeinschaft ist, sich zu einigen, um die Ermordung tausender Menschen zu verhindern …“ Wie können Sie eine solche Einigung für das Klima erreichen?
Zunächst einmal habe ich Ihnen gesagt, dass sich die Einstellung zum Klima geändert hat: Die wissenschaftliche Realität – der Dank gilt dem IPCC – ist mittlerweile anerkannt, auch die Unternehmen haben das verstanden. Wir fahren ein Wettrennen mit dem Klimawandel. Das Problem besteht darin, dass bei einer Verringerung oder einem Stopp der Emissionen, die Treibhausgase, die bereits in der Atmosphäre sind, nicht verschwinden. Deswegen muss rechtzeitig und entsprechend stark mit der Umkehrung begonnen werden, um die gesetzte Grenze von 2°C nicht zu überschreiten.
Quelle : Wochenzeitung « Observateur » (Paris, 8. Januar 2015)
Redaktor : Eckhard Lüth ( Presseabteilung)