Die Zusammenarbeit im Bereich Forschung
Ich freue mich, dieses 5. Forum der Deutsch-Französischen Forschungskooperation gemeinsam mit Ihnen eröffnen zu können. Dieses Forum, das seit 2002 alle drei Jahre organisiert wird, ist das Aushängeschild unserer Zusammenarbeit im Bereich Forschung, und ich freue mich, dass es in diesem Jahr ein neues Format bekommen hat und rund hundert hochrangige Verantwortungsträger unserer beiden Länder heute hier vereint.
Frankreich und Deutschland gehören in Europa zu den führenden Ländern in den Bereichen Forschung und Innovation.
Angesichts des Gewichts unserer beiden Länder in der europäischen und internationalen Forschung ist diese Zusammenarbeit von großer Bedeutung. […]
Ich möchte daran erinnern, dass Frankreich stolz auf seine exzellente Forschung in den verschiedensten Bereichen sein kann. Unser Land liegt bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen weltweit auf dem 6. Platz, das französische Zentrum für wissenschaftliche Forschung CNRS sogar auf Platz 1. Seit dem ersten Deutsch-Französischen Forschungsforum vor 12 Jahren wurde die französische Forschung (unter anderem!) mit vier Fields-Medaillen und acht Nobelpreisen ausgezeichnet! Im Übrigen werde ich am kommenden Donnerstag die französische Regierung bei der Verleihung der beiden Nobelpreise in Stockholm vertreten: der Wirtschaftsnobelpreis für Jean Tirole und der Literaturnobelpreis für Patrick Modiano.
Deutschland lädt seinerseits jedes Jahr seine zahlreichen Nobelpreisträger nach Lindau ein. Aber im Hinblick auf die Schwellenländer, und dabei denke ich besonders an China, müssen Frankreich und Deutschland ihre Kräfte bündeln, wenn sie auch weiterhin zu den führenden Ländern der internationalen Forschung gehören wollen. Gemeinsam stellen unsere beiden Länder über 50% der Investitionen in die europäische Forschung und 10% des Budgets der weltweiten Forschung.
Der Grundsatz der deutsch-französischen Forschungskooperationen war bereits 1963 Bestandteil des Elysée-Vertrages und wurde anlässlich des 50. Jahrestages des Vertrages im Januar 2013 erneut bekräftigt. Es gibt schon heute zahlreiche Kooperationen in vielen Bereichen. Bei Ko-Publikationen ist Deutschland […] der zweitwichtigste Partner Frankreichs und Frankreich der Drittwichtigste Deutschlands. Das entspricht 20 Veröffentlichungen pro Tag! Es gibt zahlreiche Partnerschaften in der Physik und Astronomie, insbesondere dank der starken Einbindung unserer beiden Länder in strukturierende Forschungsprojekte, die im Rahmen großer europäischer und internationaler Forschungsinstrumente, wie dem Institut Laue Langevin in Grenoble mit dem Hochflussreaktor für Neutronenforschung, der auch der Physikerin und heutigen Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr gut bekannt ist, durchgeführt werden.
Auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Biowissenschaften und den Wissenschaften der Biomedizin, den Umwelt- und Geowissenschaften, der Grundlagen- und angewandten Mathematik sowie im Bereich Energie arbeiten wir eng zusammen.
So ist zum Beispiel die Entwicklung der weltweit effizientesten Solarzelle, die, wie Sie zweifellos wissen, erst vor wenigen Tagen einen neuen Rekord-Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Solarenergie in Strom aufgestellt hat, allein der deutsch-französischen Partnerschaft zwischen dem Institut für Solarenergie des CEA/Liten und der Firma Soitec einerseits und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE andererseits zu verdanken.
Und nicht zu vergessen die seit 50 Jahren von der Europäischen Weltraumorganisation kontinuierlich und erfolgreich entwickelte Raumfahrtpolitik. Aufgebaut auf einem deutsch-französischen Fundament und zu 50% von unseren beiden Ländern finanziert, konnte sie kürzlich zwei Erfolge vorweisen, die uns Lob aus der ganzen Welt und sogar von der NASA eingebracht haben. Zunächst die Landung des Mini-Roboters Philae auf dem 520 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Kometen Tschuri mit der Sonde Rosetta. Er soll Daten sammeln, die den Wissenschaftlern neue Erkenntnisse zur Entstehung des Sonnensystems und der Entstehung des Lebens liefern. […]Der zweite Erfolg konnte in der letzten Woche mit der von allen ESA-Mitgliedstaaten gemeinsam getragenen Entscheidung verzeichnet werden, bis 2020 eine neue Trägerrakete, Ariane 6, zu bauen, um die Zukunft dieses so umkämpften Sektors zu sichern.
Ich möchte nun kurz Bilanz zu dem Maßnahmenplan ziehen, auf den sich unsere beiden Länder 2012 für die vier Bereiche Geistes- und Sozialwissenschaften, Rohstoffe, Umwelt und Gesundheit verständigt hatten, bevor ich auf den Plan zu sprechen komme, auf den wir uns für die kommenden zwei Jahre geeinigt haben.
Im Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften möchte ich zunächst meine Freude mit Ihnen über den Erfolg des Projektes „Saisir l’Europe/Europa als Herausforderung“ teilen, das am 15. April 2013 während der deutsch-französischen Wissenschafts- und Alumniwoche in Paris offiziell gestartet wurde. Das Projekt wird vom fachübergreifenden Zentrum für Deutschlandstudien und -forschung CIERA und dem Centre Marc Bloch koordiniert und trägt dazu bei, Europa und die Gesellschaften, aus denen es sich zusammensetzt, neu und anders zu denken und dabei Nachwuchswissenschaftler über Promotionsverträge einzubeziehen. […]
Im Bereich der nichtenergetischen Rohstoffe haben sich zahlreiche Partnerschaften in europäischen Netzwerken entwickelt, so z.B. über das Europäische Innovations- und Technologieinstitut EIT, darunter die Wissens- und Innovationsgemeinschaft, die in Kürze ins Leben gerufen wird, oder in einem bilateralen Rahmen, mit gemeinsamen Ausschreibungen der französischen Forschungsförderagentur ANR und dem BMBF.
Im Bereich Umwelt begrüße ich die laufenden Kooperationen, die dazu beitragen werden, dass unsere beiden Länder gemeinsam zur Klimakonferenz COP21 im kommenden Jahr in Paris beitragen können, auf der ein internationales Abkommen über die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und die Begrenzung der Erderwärmung auf 2°C bis 2050 verabschiedet werden soll.
Wir wissen, dass wir gegenwärtig auf eine Erwärmung von mehr als 4°C zusteuern, was zu unumkehrbaren Katastrophen führen würde. Der Beitrag der Wissenschaft und der technologischen Forschung sind unabdingbar, um dieser Tendenz entgegenzuwirken und die Obergrenze von 2°C nicht zu überschreiten. Davon hängt das Überleben unseres Planeten ab.
In den Bereichen Gesundheit und Biotechnologien haben unsere beiden Länder dank einer verstärkten wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen klinischen und Forschungsmitarbeitern bereits die Qualität und Effektivität ihrer Forschung verbessert, vor allem in wichtigen Bereichen wie der Krebs- und Diabetesforschung sowie bei den neurodegenerativen Erkrankungen. Dies erfolgte insbesondere durch die Bündelung von Kohorten und die Entwicklung gemeinsamer technischer Plattformen.
Der Datenaustausch wird durch eine Harmonisierung der Protokolle und Methoden vereinfacht. Auf diesem Gebiet gibt es nach wie vor noch viel gemeinsam zu tun.
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Bevor ich auf den Maßnahmenplan für 2014-2016 zu sprechen komme, möchte ich einige Worte zur Forschungsstrategie unseres Landes sagen. Frankreich möchte Ihnen gegenüber sein starkes Engagement für die Forschung bekräftigen. Der französische Präsident hat bei zahlreichen Gelegenheiten betont, dass die Forschung zu den Prioritäten unserer Regierung gehört. Aus diesem Grund wurde auch das Forschungsbudget trotz der notwendigen Haushaltseinsparungen festgeschrieben.
Das am 22. Juli 2013 verabschiedete Gesetz über die Gestaltung der Hochschulen und der Forschung hat unsere Ziele unterstrichen. Zum ersten Mal wurden Hochschulbildung und Forschung verknüpft und die Zusammenlegung von Einrichtungen im Gesetzestext verankert, die Lehre und Forschung von Hochschul- und Forschungseinrichtungen, darunter in erster Linie das CNRS, verbinden.
Im Artikel 15 dieses Gesetzes wurde auch der Grundsatz einer nationalen Strategie für Hochschulbildung (Stranes) und eine nationale Forschungsstrategie (SNR) nach dem Vorbild Deutschlands festgeschrieben.
Die SNR wird in Übereinstimmung mit der europäischen Forschungsstrategie erarbeitet: Ziel ist es, die französische Forschung in ihrer ganzen Vielfalt so aufzustellen, dass sie alle großen wissenschaftlichen, technologischen, wirtschaftlichen oder sozialen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte besser bewältigen kann. Diese Herausforderungen sind in der strategischen Agenda „Frankreich Europa 2020“ festgeschrieben, die am 21. Mai 2013 bei der Vorstellung des Programms Horizont 2020 in Frankreich präsentiert wurde.
Gesundheit, Ernährungssicherheit, maßvolle Bewirtschaftung von Ressourcen, Bekämpfung des Klimawandels, Energiewandel, Mobilität und nachhaltige städtische Systeme, Ausbau der digitalen Wirtschaft und der Raumfahrttechnologien sind Themen der nationalen Forschungsstrategie, die Sie heute an den Runden Tischen diskutieren werden. Um diese großen Herausforderungen zu meistern, müssen die privaten und staatlichen Akteure der Forschung und Innovation mobilisiert werden.
Im Gesetz aus dem Jahr 2013 haben wir Maßnahmen festgeschrieben, die Partnerschaften, Interdisziplinarität und den Transfer von Forschungsergebnissen in den Privatsektor fördern. Wir wollen also gemeinsam mit öffentlichen Laboratorien von Forschungseinrichtungen und Universitäten, oft gemeinsame Einrichtungen, die in den fünf thematischen Allianzen vertreten sind, aber auch mit den Gesellschaften für den beschleunigten Technologietransfer, den Kompetenzzentren, den Start-ups, den Unternehmen etc. ein Ökosystem der Bildung, Forschung und Innovation aufbauen.
Die strategische Agenda Frankreich Europa 2020 wird also von einer gemeinsamen Zielsetzung getragen, die europäischen und internationalen Partnern offen steht, im Dienste der deutsch-französischen Forschungspartnerschaft, deren Fahrplan wir bis 2016 gemeinsam festgelegt haben.
Alle Maßnahmen, von denen ich gesprochen habe, werden fortgesetzt und zwei neue Prioritäten wurden hinzugefügt: Energie und Digitales. Frankreich und Deutschland haben bereits mehrfach und auf höchster Ebene den Aufbau eines „Airbus der Energie“ angesprochen, dessen Mehrwert natürlich die Forschung und Innovation sind. Unsere beiden Energiesysteme sind sehr verschieden und demzufolge komplementär.
Ich habe bereits die gemeinsamen Entwicklungen im Bereich der Solarenergie angesprochen. Weitere gemeinsame Felder der Zusammenarbeit sind die Energieeffizienz, Smart Grids, die Umwandlung pflanzlicher Rohstoffe in Kohlenwasserstoff als Kraftstoff, die Energiespeicherung und die entsprechenden Materialien, die Brennstoffzelle und Wasserstoff. Es wurden bereits mehrere Projekte in diesem wichtigen Themenfeld Energie benannt bzw. gestartet, um gleichzeitig die Treibhausgasemissionen zu senken, die erneuerbaren Energien auszubauen, unsere Wirtschaft voranzubringen und unsere Energieversorgung zu sichern.
Im Bereich Digitales steht die IT-Sicherheit im Zentrum unserer gemeinsamen Anstrengungen und Forschungen. Ein Projekt wäre dabei von besonderem Interesse: Die Schaffung eines deutsch-französischen Forschungsinstituts für IT-Sicherheit mit Sitz in Saarbrücken und Nancy, zwei Kompetenzzentren, die bereits in diesem strategisch wichtigen Bereich anerkannt sind und schon zusammengearbeitet haben.
Die deutsch-französischen Kooperationen müssen bei strategisch wichtigen Themen weitergeführt und ausgebaut werden.
Im Bereich des Hochleistungsrechnens wird die Zusammenarbeit, in Fortsetzung des europäischen Programms PRACE 1, weitergeführt und intensiviert. Allgemeiner gesagt bringt das deutsch-französische Tandem bereits die Mehrzahl der H2020-Projekte im europäischen Forschungsraum hervor. Diese zentrale Rolle muss aufrechterhalten und ausgebaut werden.
Es wird deutlich, wie wichtig die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern für den Erfolg ganz Europas sind. Diese Beziehungen basieren auf den gleichen Vorstellungen von der Qualität der Lehre sowie der Grundlagen- und angewandten Forschung und von ihrem Beitrag zur Innovation als wichtigem Impulsgeber für die Schaffung von Wissen und Arbeitsplätzen.
Und schließlich, das habe ich schon oft betont, muss unsere Zusammenarbeit den Bereich Hochschulbildung vollständig integrieren. Die deutsch-französische Agenda 2020 tut dies mit ehrgeizigen Zielsetzungen bezüglich der Mobilität von Studenten und des sprachlichen Austauschs. Die Ziele bis2020: Verdopplung der Anzahl an zweisprachigen Studiengängen, Verdopplung der Zahl der Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler, die an den von der Deutsch-Französischen Hochschule finanzierten Programmen teilnehmen, Schaffung eines deutsch-französischen Praktikantenstatus, Beschließung eines deutsch-französischen europäischen Campus in Straßburg in Partnerschaft mit der Universität Heidelberg und vor allem in Kooperation mit den Universitäten in Basel, Karlsruhe und Mulhouse. All diese Ziele erreichen wir gemeinsam, auf der Grundlage einer starken Partnerschaft zwischen unseren beiden Ländern.
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