Therapie verbessert kognitive Funktionen bei Patienten mit Trisomie 21

Ein Team des Inserm [1] im Labor für Neurowissenschaften & Kognition in Lille (Inserm/Universität Lille/CHU de Lille) und das Universitätsklinikum in Vaudois (CHUV, Lausanne) haben gemeinsam die Wirksamkeit einer Therapie getestet, die auf der Injektion des Hormons GnRH beruht, um die kognitiven Funktionen einer kleinen Gruppe von Patienten mit Trisomie 21 zu verbessern. Die Wissenschaftler*innen des Inserm wiesen zunächst eine Fehlfunktion der GnRH-Neuronen in einem Tiermodell mit Down-Syndrom und deren Auswirkungen auf die mit der Krankheit einhergehende Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen nach. Im Anschluss wurde eine Pilotstudie mit sieben Patienten durchgeführt, um eine Therapie zu testen, die auf der pulsatilen Injektion von GnRH basiert, mit dem Ergebnis, dass sich die kognitiven Funktionen und die zerebrale Vernetzung verbesserten. Die Studie wird in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Etwa ein Kind von 800 wird mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) geboren. Dieser Defekt geht mit verschiedenen klinischen Symptomen einher, darunter mit dem Rückgang der kognitiven Fähigkeiten. So treten bei 77 % der Menschen mit Trisomie 21 mit zunehmendem Alter Symptome auf, die denen der Alzheimer-Krankheit ähneln. Ab der Vorpubertät tritt zudem häufig ein fortschreitender Verlust des Geruchssinns auf, der typisch für neurodegenerative Erkrankungen ist, und bei Männern können Störungen in der sexuellen Reifung auftreten.

Neuere Erkenntnisse legen nahe, dass die Neuronen, die für die Expression des Hormons GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) verantwortlich und dafür bekannt sind, die Fortpflanzung über den Hypothalamus zu regulieren, auch Auswirkungen auf andere Hirnregionen haben, und so eine potenzielle Rolle für andere Systeme spielen, wie für die Kognition.

Ausgehend von dieser Idee untersuchte die Forschergruppe des Labors für Neurowissenschaften & Kognition in Lille unter der Leitung von Vincent Prévot, Forschungsleiter beim Inserm, den Mechanismus der GnRH-Regulierung an Modellmäusen mit Down-Syndrom.

Sie konnte nachweisen, dass fünf Stränge der Mikro-RNA, die die Produktion dieses Hormons regulieren und auf dem Chromosom 21 vorkommen, fehlreguliert sind. Dieses überzählige Chromosom führt infolge zu Anomalien in den Neuronen, die GnRH produzieren. Diese Ergebnisse wurden auf genetischer und zellulärer Ebene bestätigt. Die Wissenschaftler*innen des Inserm konnten somit nachweisen, dass die fortschreitenden kognitiven und olfaktorischen Beeinträchtigungen dieser Mäuse eng mit einer dysfunktionalen GnRH-Sekretion verbunden sind.

Den Forscher*innen gelang im Anschluss der Nachweis, dass die Wiederherstellung eines physiologischen GnRH-Systems die kognitiven und olfaktorischen Funktionen bei Mäusen mit Down-Syndrom wiederherstellen konnte.

Diese Ergebnisse bei Mäusen wurden mit Experten für molekulare Diagnose und Behandlung einer seltenen Krankheit, dem angeborenen GnRH-Mangel, der sich durch das Ausbleiben der spontanen Pubertät bemerkbar macht, diskutiert. Anschließend wurde den betroffenen Patienten pulsatil GnRH verabreicht, um den natürlichen pulsatilen Rhythmus der Sekretion dieses pubertätsauslösenden Hormons nachzuahmen.

Die Forscher*innen beschlossen folglich, die Wirksamkeit einer Behandlung mit pulsatiler GnRH auf die kognitiven und olfaktorischen Defizite von Mäusen mit Down-Syndrom zu testen, wobei sie das gleiche Protokoll wie beim Menschen anwandten. Nach 15 Tagen konnte das Team eine Wiederherstellung der olfaktorischen und kognitiven Funktionen bei den Mäusen nachweisen.

Im nächsten Schritt führten die Wissenschaftler*innen und Ärzte*innen eine klinische Pilotstudie an Patienten durch [1], um die Auswirkungen dieser Behandlung zu untersuchen. Sieben Männer mit Trisomie 21 im Alter von 20 bis 50 Jahren erhielten sechs Monate lang mithilfe einer Pumpe am Arm alle zwei Stunden subkutan eine Dosis GnRH. Vor und nach der Behandlung wurden Tests der Kognitionsfähigkeiten und des Geruchssinns sowie MRT-Untersuchungen durchgeführt.

Aus klinischer Sicht stieg die kognitive Leistung bei 6 von 7 Patienten an: bessere dreidimensionale Wahrnehmung, besseres Verständnis von Anweisungen, verbessertes logisches Denken, Aufmerksamkeit und episodisches Gedächtnis.

Dagegen hatte die Behandlung keine Auswirkungen auf den Geruchssinn. Diese Messungen der verbesserten kognitiven Funktionen waren mit einer Veränderung der funktionellen Konnektivität verbunden, die in der Hirnbildgebung beobachtet wurde [2].

Die Daten legen nahe, dass die Behandlung auf das Gehirn einwirkt, indem sie insbesondere die Kommunikation zwischen bestimmten Regionen der Hirnrinde verstärkt.

„Die Aufrechterhaltung des GnRH-Systems scheint eine Schlüsselrolle bei der Reifung des Gehirns und den kognitiven Funktionen zu spielen“, erklärt Vincent Prévot. „Bei Trisomie 21 ist die pulsatile GnRH-Therapie vielversprechend, zumal es sich um eine bereits angewandte Behandlung ohne nennenswerte Nebenwirkungen handelt“, fügt Nelly Pitteloud, Professorin an der Fakultät für Biologie und Medizin der Universität Lausanne und Leiterin der Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel am CHUV, hinzu.

Diese aussichtsreichen Ergebnisse rechtfertigen nun den Start einer größeren Studie – die auch Frauen einschließt -, um die Wirksamkeit dieser Behandlung bei Menschen mit Down-Syndrom, aber auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit zu bestätigen.

[1] INSERM – Institut für Gesundheit und medizinische Forschung

Quelle: INSERM

Bild: Die Pumpe, die einem Klebepflaster ähnelt, wird auf dem Arm eines Patienten platziert. Mit diesem Medizinprodukt kann GnRH pulsierend subkutan abgegeben werden © 2022 CHUV Éric Deroze.