Das europäische InsSciDE-Projekt: Aufbau der europäischen Wissenschaftsdiplomatie

Das vom CNRS koordinierte europäische InsSciDE-Projekt soll zum Aufbau einer gemeinsamen Wissenschaftsdiplomatie für die Europäische Union beitragen. Nach fünf Jahren Arbeit übernimmt die EU Science Diplomacy Alliance, deren Mitbegründer es ist, diese Aufgabe.

Zum Nachdenken über die Gegenwart und Zukunft der Wissenschaftsdiplomatie in Europa und für Europa anzuregen, war das erklärte Ziel des europäischen InsSciDE1-Projekts, dessen Abschlusskonferenz am 23. und 24. Juni 2022 in Paris an der Sorbonne und am Sitz der UNESCO stattfand.

Das InsSciDE-Projekt beschäftigte sich mit der Geschichte der Wissenschaftsdiplomatie als Konzept und in der Anwendung, um die Vergangenheit besser verstehen und somit die Gegenwart besser beleuchten zu können. Das Projekt wurde vom vorherigen EU-Rahmenprogramm Horizont 2020 mit einem Budget von 2,5 Millionen Euro über fünf Jahre finanziert und brachte zu diesem Zweck 14 Institutionen aus 11 Ländern zusammen, die vom CNRS (nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung) koordiniert wurden. Dies machte das Projekt selbst zu einer Form der Wissenschaftsdiplomatie, die es jedem/r Wissenschaftler/in ermöglichte, seine/ihre eigenen Methoden, Perspektiven und Forschungsthemen einzubringen.

Um die Funktionsweise und Bedeutung von persönlichen, staatlichen oder institutionellen, lokalen und globalen Netzwerken besser zu verstehen, beschäftigten sich die am InsSciDE-Projekt beteiligten Wissenschaftler*innen mit 28 Fallstudien aus dem 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Diese decken verschiedene Themenbereiche ab, von der Gesundheit über die Weltraumforschung bis hin zur Bekämpfung des Klimawandels oder der Sicherheit, und verfolgen einen interdisziplinären Ansatz, der Geschichte, Politik- und Sozialwissenschaften, Archäologie und technische Bereiche miteinander verbindet. Dabei standen mehrere Fragen im Vordergrund: Wie entstand die Wissenschaftsdiplomatie? Wie entwickelte sie sich? Wer waren ihre Akteure? Welche Rolle spielte sie beim Aufbau und manchmal auch bei der Spaltung Europas? Die Wissenschaftler haben sich zwischen 2017 und 2022 mit diesen Fragen beschäftigt.

Fünf Jahre Arbeit, aber auch fünf Jahre voller Umwälzungen auf europäischer und globaler Ebene, die es zu integrieren galt: Der Austritt Großbritanniens und der Schweiz aus dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizont Europa, die Wechsel an der Spitze der Europäischen Kommission, die Covid-19-Krise und der Krieg in der Ukraine haben die Welt der Wissenschaftsdiplomatie grundlegend verändert.

Alle Rednerinnen und Redner des Kolloquiums waren sich in einem Punkt einig: Um die großen globalen Herausforderungen (Klimawandel, Ernährungssicherheit, Bildung, etc.) zu bewältigen, müssen die Länder zusammenarbeiten und sich dabei auf die Wissenschaft stützen. Die Wissenschaftsdiplomatie ist somit unerlässlich, um Kooperationen ins Leben zu rufen, Methoden aufeinander abzustimmen und Wissen überall dort zu verbreiten, wo es von Nutzen sein kann. Im Gegenzug ist wissenschaftliche Expertise eine Hilfe bei diplomatischen Entscheidungen und der Umsetzung öffentlicher Politik.

Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen des Projektes zahlreiche Austausche zwischen den beteiligten Wissenschaftler*innen und den Entscheidungsträger*innen sowie Diplomat*innen organisiert. Zweimal wurde sogar eine gemeinsame Schulung in Warschau organisiert, mit dem Ziel, sich über bewährte Methoden auszutauschen und Materialien und Empfehlungen für Diplomat*innen und die Europäische Union sowie ihre Mitgliedstaaten zu erarbeiten.

Die Covid-19-Krise war ein perfektes Beispiel für diese Herausforderungen, mit internationalen wissenschaftlichen Gesprächen, die weitgehend durch Open Science beschleunigt wurden und überwiegend auf Englisch stattfanden, aber auch mit der Notwendigkeit, dieses Wissen in den nationalen Kontext zu übersetzen, um die Herausforderungen und Auswirkungen für Gesetzgeber und Öffentlichkeit besser verständlich zu machen. Sylvie Rousset, Leiterin der Abteilung für Open Data in der Forschung des CNRS und Gast der Podiumsdiskussion zu diesem Thema, erinnerte ebenfalls an das Engagement des CNRS im Bereich der Open Science und die positiven Auswirkungen auf das gesamte französische Forschungsökosystem: Heute sind mehr als 80% der Veröffentlichungen aus Forschungsabteilungen, u.a. unter der Aufsicht des CNRS, im Open Access verfügbar. Ein Erfolg, der ohne politisches Engagement und Diplomatie auf nationaler, europäischer und globaler Ebene nicht möglich wäre.

Das InsSciDE-Projekt wendet diese Prinzipien auf sich selbst an und veröffentlicht alle seine Ergebnisse online im Open Acces. InsSciDE arbeitete auch mit zwei anderen europäischen Projekten zusammen, die mittlerweile abgeschlossen sind: S4D4C, koordiniert vom Zentrum für Soziale Innovation in Österreich, und EL-CSID5, koordiniert von der Vrije Universiteit Brussel in Belgien. Um diese Netzwerke weiter mit Leben zu füllen, wurde im März 2021 eine neue europäische Allianz gegründet: die EU Science Diplomacy Alliance. Mit ihren 27 Mitgliedern möchte sie eine neue Generation von diplomatiebewussten Wissenschaftler*innen und wissenschaftsbewussten Diplomat*innen ausbilden.

Quelle: CNRS