Meeresenergien: Nanoröhrchen optimieren die Nutzung der Osmose-Energie
Der unterschiedliche Salzgehalt zwischen Süß- und Meerwasser gehört zu den untersuchten Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien. Die niedrigen Ausbeuten durch die aktuellen Techniken bremsen jedoch seine Verwendung aus. Dies könnte sich jetzt allerdings ändern. Ein Team von Physikern des Instituts für Licht und Materialen, eine gemeinsame Einrichtung des französischen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS) und der Universität Claude Bernard in Lyon, in Zusammenarbeit mit dem Institut Néel des CNRS, hat jetzt eine Möglichkeit gefunden, diese Energie zu nutzen: Die osmotische Strömung durch Bor-Stickstoff-Nanoröhrchen ermöglicht die Erzeugung einer gigantischen elektrischen Stromstärke, deren Wirkungsgrad 1000 Mal größer ist als alles bisher erreichte. Um dies zu erreichen, haben die Forscher eine Testvorrichtung entwickelt, mit der zum ersten Mal der osmotische Transport von Flüssigkeiten durch ein einziges Nanorohr untersucht werden kann. Ihre Ergebnisse wurden am 28. Februar 2013 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Osmose findet statt, wenn ein Salzwassertank mit einem Frischwassertank durch angepasste halbdurchlässige Membranen verbunden wird. Durch die Salzgradienten wird die Stromerzeugung auf zwei verschiedenen Wegen möglich: Zum einen kann der unterschiedliche osmotische Druck zwischen den beiden Reservoirs eine Turbine antreiben. Zum anderen ermöglicht die Verwendung von Membranen, die nur Ionen durchlassen, die Erzeugung von elektrischem Strom. Konzentriert an den Flussmündungen, würde die theoretische Kapazität der Osmose-Energie weltweit mindestens 1 Terawatt betragen, was der Leistung von 1.000 Kernreaktoren entspräche. Jedoch sind die eingesetzten Technologien bislang nicht sehr leistungsfähig (etwa 3 W/m2 Membran). Das Forscherteam könnte jetzt eine Lösung gefunden haben.
Die Forscher untersuchten zunächst die Dynamik von Flüssigkeiten in geschlossenen nanometergroßen Bereichen, wie z.B. im Inneren von Nanoröhrchen. Inspiriert durch die Biologie und die Erforschung der Zellkanäle, gelang ihnen zum ersten Mal die Messung der osmotischen Strömung in einem Nanoröhrchen. Ihre Testvorrichtung bestand aus einer undurchlässigen und elektrisch isolierenden Membran. In diese Membran wurde ein Loch gebohrt, durch das die Forscher mit Hilfe der Spitze eines Rastertunnelmikroskops ein Bor-Stickstoff-Nanoröhrchen von nur wenigen Nanometern Außendurchmesser schoben. Zwei auf beiden Seiten des Nanoröhrchens in die Flüssigkeit eingetauchte Elektroden machten es möglich, den durch die Membran laufenden elektrischen Strom zu messen. Durch die Trennung eines Salzwasser- und eines Frischwassertanks über die Membran erzeugten sie durch das Nanorohr eine gigantische elektrische Stromstärke. Dies ist auf die starke negative Ladung an der Oberfläche von Bor-Stickstoff-Nanoröhrchen zurückzuführen, die die im Salzwasser enthaltenen Kationen anzieht. Der durch dieses Nanorohr fließende Strom liegt im Nanoampere-Bereich, d.h. eine 1000 Mal höhere Stromstärke als bei den üblichen Methoden.
Bor-Stickstoff-Nanoröhrchen ermöglichen somit eine hocheffiziente Umwandlung der in den Salzgradienten enthaltenen Energie in eine unmittelbar nutzbare elektrische Energie. Betrachtet man diese Ergebnisse in einem größeren Maßstab, könnte eine 1m2 große Membran von Bor-Stickstoff-Nanoröhren eine Kapazität von etwa 4 kW erreichen und wäre in der Lage, jährlich bis zu 30 MWh zu erzeugen. Diese Leistungen sind drei Mal so hoch, wie die der aktuellen Osmosekraftwerksprototypen. Die Forscher wollen nun die Herstellung von Membranen aus Bor-Stickstoff-Nanoröhren untersuchen und die Leistung von Nanoröhren mit unterschiedlichen Zusammensetzungen testen.
Kontakt: Lydéric Bocquet, Professor für Physik am Institut für Licht und Materialen – Universität Claude Bernard Lyon – Tel.:+33 4 72 44 82 53, E-Mail: lyderic.bocquet@univ-lyon1.fr
Quelle: Pressemitteilung des CNRS – 27.02.2013 – http://www2.cnrs.fr/presse/communique/3009.htm
Redakteurin: Hélène Benveniste, helene.benveniste@diplomatie.gouv.fr