Nationalversammlung und Senat empfehlen eine Reduzierung des Anteils der Kernenergie am Energiemix auf 50% bis 60 % bis 2050

Das Parlamentarische Amt für die Bewertung der wissenschaftlichen und technologischen Entscheidungen (OPECST) legte am 15.12.2011 seinen Abschlussbericht „Die Zukunft der Erzeugung von Elektrizität mittels Kernenergie in Frankreich“ [1] vor.

Es handelt sich um den zweiten Teil des Gesamtberichts der von den Präsidenten der Nationalversammlung und dem Senat nach dem Reaktorunfall von Fukushima im März 2011 ins Leben gerufenen „Mission Parlementaire“ (36 Mitglieder des OPECST, 7 Abgeordnete der Nationalversammlung und 8 Mitglieder des Senats der jeweils zuständigen Ausschüsse). Diese hatte bereits am 30.6.2011 einen umfangreichen Bericht mit dem Schwerpunkt die „Nukleare Sicherheit“ vorgelegt [2].

Die „Mission Parlementaire“ konzentrierte ihre Arbeit seit September 2011 in erster Linie auf die Zukunft der Elektrizitätserzeugung durch Kernenergie. Sie beanstandet in ihrem Abschlussbericht zunächst die „unannehmbare Untätigkeit“ der Regierung hinsichtlich der von ihr in ihrem Teilbericht [3] vom 30.6.2011 ausgesprochenen Empfehlungen zu der von der ASN (französische Behörde für nukleare Sicherheit) nachdrücklich geforderten Verstärkung der Organisation der ASN.

Die Mitglieder der „Mission Parlementaire“ beziehen – abweichend von den von der Regierung zwischenzeitlich erteilten eher technischen Aufträgen (Analyse der Kosten der Kernenergieerzeugung durch den Rechnungshof; Analyse durch eine achtköpfige Expertenkommission der möglichen energiepolitischen Szenarien in Vorbereitung der nächsten „Mehrjahresplanung der Investitionen“ /PPI in der Perspektive des Jahres 2050) – auf einer „strategischen Ebene“ Stellung. Sie sehen 4 Prioritäten:

•    Notwendigkeit in ausreichender Menge Elektrizität zur Verfügung zu haben (Grundlast)
•    Gewährleistung der energiepolitischen Unabhängigkeit Frankreichs
•    Erhaltung und Gewährleistung der Weiterentwicklung der französischen Wirtschaftsstruktur
•    Kampf gegen den Klimawandel

Hier spielt der französische Emissionsausstoß von nur 90 gr pro kWh im Vergleich zu einem Ausstoß von 430 gr pro kWh in Deutschland wegen des großen Anteils nuklear erzeugter Energie in Frankreich argumentativ eine wichtige Rolle.

Einer der Leitgedanken des Berichts besteht darin, dass die Entscheidung über energiepolitische Optionen jeweils von den „spezifischen nationalen Bedingungen und von den einschlägigen historischen Abläufen“ eines Landes abhängt. So verfüge Frankreich – im Gegensatz zu Deutschland (Braunkohle) – praktisch über keinerlei energierelevante Bodenschätze. Somit schlägt die „Mission Parlementaire“ einen schrittweisen und überlegten Ausstieg aus der Kernenergieerzeugung bis 2050 vor. Grundsätzlich geht die „Mission Parlementaire“ von einer Laufzeit eines KKW der 2. Generation von 50 Jahren aus. So sollen 50% der Reaktoren nach dem Ende ihrer Laufzeit durch einen Reaktor der 3. Generation (EPR, 1600 MW) ersetzt werden (die Entscheidung über die endgültige Stilllegung eines KKW müsse von der unabhängigen ASN getroffen werden); das bedeute, dass im Jahre 2050 etwa 30 EPR die Erzeugung von 50 % bis 60 % der französischen Stromerzeugung (30 % um das Jahr 2100) übernehmen würden. 2011 lag der Prozentsatz der mittels Kernenergie erzeugten Elektrizität in Frankreich noch zwischen 75 % und 80 %.
Sowohl aus technischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch als Folge der großen Investitionen in die Entwicklung der fossilen (Brennstoffkraftwerk) und nuklearen Energie in der Vergangenheit werde zu einem bedeutenden Teil noch für viele Jahre die energiepolitische Entwicklung zwischen diesen beiden Erzeugungsformen verlaufen.
Neben dem Bau und dem Betrieb von Kernkraftwerken behandelt der Bericht u. a. auch die (End-) Lagerung radioaktiver Abfälle und die erneuerbaren Energien. Hinsichtlich letzterer werden insbesondere die naturbedingten Lieferunterbrechungen der Wind- und Sonnenenergie und die z. Zt. noch ungelöste Frage der Energiespeicherung und die rechtzeitige Installierung „intelligenter Netze“ („smart grids“) als Probleme herausgestellt. Die Zukunft des französischen Energie-Mix hänge entscheidend von der Geschwindigkeit der industriellen Reife der vorgenannten Fragen ab.

Im Bericht geht es auch um die Weiterentwicklung der KKW der 4. Generation und die Kernfusion.

Die in den Abschlußbericht aufgenommenen Berichte zu den Informationsreisen des Abgeordneten Chrisitian Bataille „Énergie: l‘ Allemagne un cas particulier“ sowie „Le Japon après Fukushima: principaux enseignements“ verdienen ebenfalls Aufmerksamkeit.

[1] Der Abschlussbericht ist unter folgendem Link abrufbar: http://www.assemblee-nationale.fr/13/cr-oecst/rapport-final-surete-nucleaire-20111223.pdf
[2] Der 1. Teil des angeforderten Berichts mit dem Schwerpunkt die „Nukleare Sicherheit“ ist unter folgendem Link abrufbar: http://www.assemblee-nationale.fr/13/cr-oecst/rapport-final-surete-nucleaire-20111223.pdf
[3] Die Empfehlungen des Teilberichts vom 30.6.2011 sind nachzulesen unter:
www.assemblee-nationale.fr/13/cr-oecst/recommandations_securite_nucleaire_30062011.pdf

Quelle:
– Pressemitteilung von Kooperation International – 30.12.2011 – http://www.kooperation-international.de/countries/themes/nc/info/detail/data/57763/

Redakteur: Dr. Hermann Schmitz-Wenzel,  hermann.schmitz-wenzel@t-online.de